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Umsatzsteuerliche Organschaft – Neuerungen der organisatorischen Eingliederung

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WP StB Dipl. Kfm. Michael Koch, INVRA Treuhand AG, Köln

WP StB Dipl. Kfm. Michael Koch, INVRA Treuhand AG, Köln

Die umsatzsteuerliche Organschaft ist gekennzeichnet durch ein Über- und Unterordnungsverhältnis der beteiligten Gesellschaften, nämlich der beherrschenden Gesellschaft (Organträger, OT) und der beherrschten juristischen Person (Organgesellschaft, OG). Voraussetzungen der umsatzsteuerlichen Organschaft sind die finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Eingliederung der OG in den OT. Diese Eingliederungsmerkmale müssen zwar nicht alle gleich stark ausgeprägt sein (siehe z. B. BFH-Urteil vom 29. 10. 2008 XI R 74/07, DB 2009 S. 37), eine Erfüllung von nur zwei der drei Merkmale ist aber nicht ausreichend (siehe z. B. BFH-Urteil vom 3. 4. 2008 – V R 76/05, DB 2008 S. 1544).

Das BMF hat nach dem Urteil des BFH vom 7. 7. 2011 (V R 53/10, DB 2011 S. 2414) den UStAE mit Schreiben vom 7. 3. 2013 (IV D 2 – S 7105/11/10001, DB 2013 S. 550) angepasst und wesentlich erweitert, um die zuvor bezeichnete Rspr. zur organisatorischen Eingliederung zu berücksichtigen.

Die nunmehr geltenden Voraussetzungen für eine organisatorische Eingliederung sowie die Folgen für die Praxis werden im Folgenden vorgestellt.

Voraussetzungen der organisatorischen Eingliederung

Die Voraussetzungen der organisatorischen Eingliederung im neuen Abschn. 2.8 Abs. 7 bis 11 UStAE lassen sich nunmehr in drei Kategorien unterteilen:

-       organisatorische Eingliederung durch personelle Verflechtung in der Geschäftsführung,

-       organisatorische Eingliederung personelle Verflechtung leitender Mitarbeiter,

-       organisatorische Eingliederung ohne personelle Verflechtung der Leitungsgremien.

Organisatorische Eingliederung durch personelle Verflechtung in der Geschäftsführung (Abschn. 2.8 Abs. 7, 8 UStAE)

Die organisatorische Eingliederung setzt wie bisher voraus, dass die mit der finanziellen Eingliederung einhergehende Möglichkeit der Beherrschung des Tochterunternehmens auch tatsächlich wahrgenommen wird (BFH-Urteil vom 28. 1. 1999 – V R 32/98, DB 1999 S. 727), der OT also seinen Willen durchsetzen kann (BFH vom 3. 4. 2008, a.a.O.). Dies setzt wiederum die personelle Verflechtung der Geschäftsführung (BFH vom 28. 10. 2010 – V R 7/10, DB 2011 S. 338), z. B durch Personenidentität in der Geschäftsführung des OT und der OG (BFH-Urteil vom 5. 12. 2007 – V R 26/06, DB 2008 S. 505), voraus. Eine vollständige Personenidentität aller Geschäftsführer ist im Einzelfall nicht notwendig, es kann die Personenidentität weniger Geschäftsführer ausreichen (BFH vom 28. 1. 1999, a.a.O.). Unklar ist aber noch der Fall, wenn von mehreren OG-Geschäftsführern nur wenige in der Geschäftsführung des OT vertreten sind (vgl. Abschn. 2.8 Abs. 8 Satz 5 UStAE). Insbesondere in dieser Konstellation könnte der Wille des OT nicht tatsächlich durchsetzbar sein.

Sollte bei der OG Gesamtgeschäftsführungsbefugnis vereinbart sein, sind die Voraussetzungen nur erfüllt, wenn die Geschäftsführer des OT über Stimmenmehrheit verfügen. Bei Stimmenminderheit der personenidentischen Geschäftsführer oder bei Einzelgeschäftsbefugnis sind weitere organisatorische Maßnahmen notwendig, um die Möglichkeit des Handelns gegen den Willen des OT zu verhindern (BFH vom 5. 12. 2007, a.a.O.). Einige Maßnahmen werden in Abschn. 2.8 Abs. 8 Satz 6 ff. UStAE beispielhaft dargestellt.

Organisatorische Eingliederung durch personelle Verflechtung leitender Mitarbeiter (Abschn. 2.8 Abs. 9 UStAE)

Abweichend von dem Regelfall der personellen Verflechtung der Geschäftsführungen hat das BMF jetzt die personelle Verflechtung über sog. leitende Mitarbeiter (BFH-Urteil vom 20. 8. 2009 – V R 30/06, DB 2009 S. 2527) explizit im UStAE berücksichtigt. Die Rspr. stützt die Möglichkeit der personellen Verflechtung insbesondere auf die Annahme, dass durch das Angestelltenverhältnis jedes weisungswidrige Verhalten des leitenden Mitarbeiters als Geschäftsführer der OG durch eine Abberufung durch die Geschäftsführung des OT sanktioniert werden kann. Die tatsächliche Durchsetzung des Willens des OT in der OG ist also grds. unbeschränkt gewährleistet (BFH vom 7. 7. 2011, a.a.O.). Die Frage, wie ein leitender Mitarbeiter genau von nicht leitenden Mitarbeitern abgegrenzt wird, bleibt sowohl in der Rspr. als auch im UStAE offen (zu der Diskussion einer möglichen Abgrenzung: Rogge, DB 2012 S. 2769 f.).

Keine organisatorische Eingliederung liegt vor, wenn der leitende Angestellte des OT nur Prokurist der OG ist und die Mitglieder der Geschäftsführung der OG weder Geschäftsführer noch leitende Mitarbeiter des OT sind (BFH vom 28. 10. 2010, a.a.O.).

Organisatorische Eingliederung ohne personelle Verflechtung in den Leitungsgremien (Abschn. 2.8 Abs. 10, 11 UStAE)

In Ausnahmefällen kann auch eine Eingliederung ohne personelle Verflechtung ausreichend sein. Voraussetzung ist, „dass institutionell abgesicherte unmittelbare Eingriffsmöglichkeiten in den Kernbereich der laufenden Geschäftsführung der OG gegeben sind“ (Abschn. 2.8 Abs. 10 Satz 3, BFH vom 3. 4. 2008, a.a.O.).

Der Nachweis der Eingriffsmöglichkeit ist aus Nachweisgründen und zur Durchsetzung gegenüber der Geschäftsführung der OG schriftlich zu dokumentieren (BFH vom 5. 12. 2007, a.a.O.). Der UStAE konkretisiert die Dokumentationsanforderungen insoweit, dass eine organisatorische Eingliederung regelmäßig dann vorliegen wird, wenn ein Beherrschungsvertrag nach § 291 AktG abgeschlossen oder die OG in den OT nach §§ 319, 320 AktG eingegliedert worden ist (Abschn. 2.8 Abs. 10 Satz 4 UStAE).

Daneben konkretisiert Abschn. 2.8 Abs. 11 UStAE, in welchen Fällen die Finanzverwaltung bzw. Rspr. eine organisatorische Eingliederung ohne personelle Verflechtung ablehnt. Zusammenfassend handelt es sich um folgende Sachverhalte, die – aufgrund einer fehlenden unmittelbaren Eingriffsmöglichkeit in die laufende Geschäftsführung – keine organisatorische Eingliederung begründen:

-       Weisungsrecht auf Grund finanzieller Eingliederung,

-       Regelmäßige Berichterstattung an die Geschäftsführung des OT,

-       Zustimmungsvorbehalte der Gesellschafterversammlung (BFH vom 7. 7. 2011, a.a.O.),

-       Zustimmungserfordernisse bei außergewöhnlichen Geschäften (BFH vom 3. 4. 2008, a.a.O.),

-       Recht der Abberufung der Geschäftsführung der OG ohne weitere personelle Verflechtung (BFH vom 7. 7. 2011, a.a.O.).

Folgen für die Praxis

Die neuen, detaillierteren Regelungen des UStAE bringen einerseits höhere Rechtssicherheit über die Ansicht der Finanzverwaltung bei bislang möglicherweise unklaren Sachverhalten der organisatorischen Eingliederung. Andererseits müssen Stpfl. zeitnah handeln.

Der UStAE wird mit Wirkung zum 1. 1. 2013 geändert, die Regelungen sind insofern auf alle offenen Fälle anzuwenden. Soweit ein Organkreis bislang von einer wirksamen Organschaft ausgegangen ist, wird es die Finanzverwaltung in einer Übergangsfrist für alle vor dem 1. 1. 2014 ausgeführten Umsätze nicht beanstanden, wenn weiterhin eine organisatorische Eingliederung angenommen wird.

Spätestens für Umsätze ab dem 1. 1. 2014 sollten Stpfl. die Wirksamkeit der Organschaft im Lichte der neuen Regelungen neu prüfen.

Ebenso sollten potenzielle Organkreise, die noch keine umsatzsteuerliche Organschaft bilden, prüfen, ob sie ungewollt und ungewünscht eine Organschaft werden. Nach der Rspr. hat der Stpfl. kein Wahlrecht zur Anwendung der umsatzsteuerlichen Organschaft.


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